INTERKULTURALITÄT ALS PROFESSIONELLES MERKMAL IM LEHRERBERUF

Dass die Herausforderungen, wie sie sich durch die immer interdependenter, entgrenzender und sich kulturell öffnender Einen Welt darstellen. als allgemeinbildende Anforderung für das individuelle und gesellschaftliche Leben entwickelt haben, pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern. Die Aufrufe zum Perspektivenwechsel bestimmen allenthalben den lokalen und globalen Diskurs um Interkulturelles Lernen, Globale und Transnationale Bildung. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben am 14. Juni 2007 den „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ (www.kmk.org) in den gesellschaftlichen, bildungspolitischen Diskurs gebracht und mit den Kompetenzbereichen „Erkennen – Bewerten – Handeln“ die Aufgaben für schulisches Lernen und Erziehung in einer globalisierten Einen Welt skizziert.
Denn: Obwohl mittlerweile Interkulturalität als prägende Herausforderung für lokales und globales Denken und Handeln der Menschen postuliert und verstanden wird, zeigen sich beim curricularen und institutionellen Lernen in der Schule unverständlicherweise deutliche Leerstellen.
Der Erziehungswissenschaftler an der Freiburger Pädagogischen Hochschule, Alfred Holzbrecher, hat in einem Sammelband eine Reihe von Experten versammelt, die sich der Frage widmen, wie eine interkulturelle Schule aussehen sollte und welche Entwicklungsaufgaben für Theorie und Praxis gefordert sind.
Das Autorenteam greift dabei die eigentlich selbstverständliche Erkenntnis auf, dass Innovationen in den Lernbereichen der Schule und notwendige Veränderungen nur realisiert werden können, wenn die in der Schule tätigen Lehrerinnen und Lehrer ein Bewusstsein von der Einen Welt haben und dieses leben und lehren.
Weil gesellschaftliche und schulische Veränderungen nicht als Hau-Ruck-Verfahren veranlasst, auch nicht per Ordre Mufti eingeführt werden können, bedarf es der lokalen und globalen Wahrnehmung, dass die Vielfalt menschlicher Existenzen und ihre Entfaltung hin zu einer humanen, gerechten, friedlichen und nachhaltigen gesellschaftlichen Integration eine Bereicherung und keine Behinderung darstellen.
Der Sammelband „Interkulturelle Schule“ kann als Weckruf für pädagogisches Denken und Handeln Hier und Heute verstanden werden. Das Buch sollte in den Lehrerbüchereien bereit stehen!
Jos Schnurer HolzbrecherInterkultSchule

VON DER SCHULE IN DIE (EINE) WELT

Was können wir, jeder Einzelne von uns und in Gemeinschaft mit anderen Menschen, Jungen und Alten, Einheimischen und Zugewanderten, dazu beitragen, dass sich unsere EINE WELT friedlicher, gerechter und humaner entwickelt? Es sind immer Einzelne, die Impulse aussenden, Wegezeichen setzen und voran gehen, dieses Menschenwerk voran zu bringen; Individuen wie Klaus Windolph, der am 24. Juni 2011 im Hannöverschen Leibnitzhaus mit einer Konferenz mit dem bedeutsamen Motto „Von der Schule in die Welt – Perspektiven internationaler Bildungsarbeit“ in den so genannten „Ruhestand“ verabschiedet wurde. Einer der vielen Laudatoren, die bei der Tagung die vielfältigen Aktivitäten von Klaus Windolph priesen, hat die Situation so ausgedrückt: „Klaus Windolph tritt nicht in den Ruhestand, sondern lediglich in einen anderen Aktivitätszustand ein!“.
Die zahlreichen Initiativen, die Klaus Windolph als Lehrer, Lehrerfortbildner, Erwachsenenbildner und Forscher im Laufe seines beruflichen, jahrzehntelangen Engagements angestoßen und verwirklicht hat, lesen sich wie ein „Who is who-world“ und machen deutlich, was Einzelne und Gruppen lokal und global für eine effektive und wirksame internationale und interkulturelle Bildungsarbeit beisteuern können: Projekt- und Studienfahrten mit der seinerzeit legendären „Reisende Schule“, interkulturelle Partnerschaftsaktivitäten, Vereinsgründungen, Forschungsprojekte und viele andere Vorhaben. „Immer ging und geht es um Selbstbestimmung, Demokratie und Empathie für die Menschen in den Gastländern“, so Klaus Windolph als Fazit seiner bisherigen Arbeit. Mit dem Verein PROTERRA Projekt Cooperation e.V., Ortskamp 16, 30539 Hannover (www.proterra-projekt-cooperation.de) wurden zahlreiche (Schul-, Hochschul-)Kontakte mit Partnern in afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern gebildet; mit der Einrichtung des Ökologischen Forschungszentrums in Naxos, 1989 und mit der Gründung der Naxos Akademie Bildungsforschung, 1994, wurden und werden weiterhin theoretische und praktische Fragen der humanen Weiterentwicklung der Einen Menschheit auf die „Agenda-Windolph“ gebracht. Mit der Initiierung des Jugendversöhnungsprojektes mit den Herero und Nama in Namibia, 2008, haben die Aktiven um Klaus Windolph neue und vielversprechende Aspekte der interkulturellen, transkulturellen und historischen Zusammenarbeit eingebracht.
Jessica Schwarz und Jos Schnurer haben bei der Konferenz am 24. 6. 2011 die Glückwünsche von IP1 an Klaus Windolph übermittelt und dafür geworben, die bereits auf vielfältigen Wegen seit Jahrzehnten bestehende Kooperation zwischen PROTERRA und IP1 weiter zu führen und zu intensivieren.
Jessica / Jos

WELTFLÜCHLINGSTAG 2011

Die Vereinten Nationen haben jeweils den 20. Juni eines jeden Jahres zum Weltflüchtlingstag ausgerufen. Er soll in besonderer Weise darauf aufmerksam machen, dass weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht sind; auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Diskriminierung, Armut und Ausweglosigkeit. Flüchtlinge nehmen wir in unserer Alltagswahrnehmung meist nur zur Kenntnis, wenn sie, wie etwa auf der italienischen Insel Lampedusa, zu Hunderten auf seeuntauglichen Booten über das Mittelmeer von Afrika her nach Europa kommen. Als Randnotiz wird dabei registriert, dass Hunderte davon auf der Strecke bleiben, ertrinken, verhungern und verdursten. Der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur und Vorsitzender des internationalen Friedenskorps Grünhelme e.V., Rupert Neudeck, fordert die europäischen Länder auf, endlich Schluss zu machen mit der „Placebo-Politik“ (vgl. dazu: afrika post. Magazin für Politik, Wirtschaft und Kultur, 2/2011, S. 22ff, www.deutsche-afrika-stiftung.de). Europa habe, so Neudeck, die Dimension des Migrantenproblems immer noch nicht erkennt: „Es quatscht weiter von Asylbewerbern, hält die Flüchtlingsbewegungen für beherrschbar und sucht weiter nach Möglichkeiten, um Afrikaner abzuwehren“, indem es größere Grenzkontrollen, Frontex-Task-Forces und Hubschrauberkontrollen einrichtet. Der Zusammenhang von Entwicklungs- und Migrationspolitik wird dabei kaum gesehen; vielmehr wird von „humanitären Katastrophen“ gesprochen und nicht erkannt, dass es völlig anderer Initiativen bedürfte, um das Problem der Flüchtlingsbewegungen zu bewältigen. Neudeck weist darauf hin, dass es eine längerfristige, globale Politik bedürfte, um z. B. auf die Tatsache zu reagieren, dass die meisten afrikanischen Länder „eine Bevölkerung mit bis zu 50% junger Menschen (haben) und eine Wirtschaft, die noch nicht einmal begonnen hat, Anschluss an den globalisierten Weltmarkt zu bekommen“.
Nehmen wir z. B. die Situation in Libyen: Seit der Krise, so berichten das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) und die International Organization für Migration (IOM), flohen mehr als 800.000 Menschen über die Grenzen in die Nachbarstaaten, darunter 296.500 Libyer, 94.884 Ägypter, 58.904 Nigrer, 41.322 Tunesier, 24.365 Tschader und mehr als 271.200 Menschen aus anderen Entwicklungsländern (vgl. dazu: www.unhcr.org; www.migration-crisic-com/libya).
Bei den europäischen Ländern, die das überwiegende Ziel der Flüchtlinge sind, wird dabei völlig übersehen, oder, wie Rupert Neudeck schreibt, „aus Angst vorm `schwarzen Mann` der Kopf in den Sand gesteckt“, dass es sich bei den meisten Flüchtlingen um aktive Menschen handelt, die durch ihre Flucht aus den Ausweglosigkeiten in ihrer Heimat, neue Lebensperspektiven in der Fremde suchen.
Die Aufnahme von Flüchtlingen und ihre (vielleicht vorläufig zeitweise) Integration in die Lebens- und Arbeitsprozesse der aufnehmenden Länder würde zu einer win-win-Situation für beide Seiten führen. Diese Alternativen zu diskutieren und sich damit auseinanderzusetzen, ist (auch) eine allgemeinbildende Lernaufgabe für Schulen und Erwachsenenbildung.
JS

Aufruf zur Mitarbeit beim Schulwettbewerb des Bundespräsidenten 2011/2012

Aufruf zur Mitarbeit beim Schulwettbewerb des Bundespräsidenten zur Entwicklungspolitik

Nicht zuletzt die zögerliche, paternalistische, besserwisserische und neoliberale Entwicklungspolitik der derzeitigen Bundesregierung ist es, die dazu auffordert, gerechtere und globale Positionen bei der Frage zu beziehen, wie sich unsere EINE WELT humaner und nachhaltiger entwickeln soll. Das Thema des Schulwettbewerbs des Bundespräsidenten – „Was siehst du, was ich nicht sehe? Perspektive wechseln!“ – ist dazu geeignet, dass Schülerinnen und Schüler von der Grundschule bis zu den weiterführenden Schulen ihre Vorstellungen, Wünsche, Hoffnungen und nicht zuletzt ihre Erfahrungen, etwa bei Schulpartnerschaftsprojekten mit Gleichaltrigen aus den Ländern des Südens der Erde, einbringen können.
Der Schulwettbewerb beginnt im Juni 2011 und endet Mitte März 2012. Neben den intellektuellen und emotionalen Bereicherungen, die Schülerinnen und Schüler bei der Beteiligung am Wettbewerb erfahren, werden auch Preise mit einem Gesamtwert von 25.000 Euro in fünf verschiedenen Einsendekategorien ausgelobt. Informationen, Anmeldeformulare unter: www.eineweltfueralle.de
JS

DIE ÖKOLOGISCHE WENDE – lokal und global, politisch und pädagogisch

Das Umdenken der Menschen beim Entwicklungsdenken und –handeln, weg vom „Throughput growth“ – Streben (Durchflusswachstum) und hin zum „Sustainable development“, einer tragfähigen Entwicklung, wie sie z. B. im Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung bereits 1987 mit der Mahnung formuliert wurde, dass es für eine humane Existenz der Menschheit erforderlich ist, unsere gemeinsame Zukunft ökologisch zu gestalten, braucht einen langen Atem. Das aktuelle Umsteuern in der Energiepolitik, mit dem Ausstiegsbeschluss der schwarz-gelben Bundesregierung hat schon viel früher begonnen; und es wurde vor allem durch die seit 1972 eingeleiteten Berichte an den Club of Rome befördert (Dennis L. Meadows, u.a., Die Grenzen des Wachstums, Mihailo Mesarović/ Eduard Pestel, Menschheit am Wendepunkt), der Agenda 21 (Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro), durch Programme der UNESCO („Der Mensch und die Biosphäre“, 1990), des New Yorker Worldwatch Institute mit den jährlich erscheinenden Berichten „Zur Lage der Welt“ und den vielen weiteren Appellen, endlich den notwendigen Perspektivenwechsel herbeizuführen.

Weil ökologisches Denken in den Köpfen der Menschen beginnen muss, um Gewohnheiten, Egoismen und Mentalitäten zu verändern und für die Menschheit schädliche Entwicklungen umzukehren, hat das ökologische Lernen in der schulischen und außerschulischen Bildung einen hohen Stellenwert. Spätestens seit der globalen Entwicklung einer sich immer interdependenter, entgrenzender und flotierender gestaltenden Einen Welt ist ethno-orientiertes und national-egoistisches Denken und Handeln obsolet. Programme wie „Umweltschulen“, Naturprojekte u. a., gewinnen in Bildungseinrichtungen einen immer höheren Stellenwert, der sich nicht zuletzt in der Lehrplan- und Curriculumdiskussion bemerkbar macht.

Das Zusammendenken von Ökologie und Universalismus hat sich im Lernauftrag „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ etabliert. Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben im Juni 2007 den „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ vorgelegt, der Empfehlungen für die Lehrplan- und Unterrichtsarbeit gibt und die Schulen auffordert, Interkulturelles Lernen und globale Entwicklung zum Bestandteil des Lernens und der Auseinandersetzung mit der Welt zu machen. In allen Bundesländern werden in Pilotprojekten, Schulversuchen und Bildungsinitiativen die Grundlagen für globales, ökologisches und politisches Lernen erprobt. In Niedersachsen ist das Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) in Hildesheim zuständig (Dezernent: Dieter Schoof-Wetzig). IP1 arbeitet beim Pilotprojekt zum Orientierungsrahmen Globale Entwicklung mit (vgl. dazu auch: Globale Entwicklung in Schule und Unterricht verankern! Ideen für niedersächsische Schulprojekte, Fachtagung vom 9. 11. 2009, NILS-Beiträge, Heft 1, Hildesheim, August 2010, 74 S.).

In diesem Zusammenhang wird auf den seit 1991erscheinenden monatlichen Informationsdienst ökopädNEWS hingewiesen, der bis Mai 2011 redaktionell von Jürgen Forkel-Schubert und ab Juni 2011 von Lisa Hübner, beide Hamburg, betreut wird. ÖkopädNEWS berichtet über bildungspolitische Trends in den Bereichen Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Globales Lernen – quer durch alle Bildungssektoren – von der frühkindlichen Bildung über Schule und Hochschule bis zum informellen Lernen. Der Newsletter erscheint auch als Beilage in der Zeitschrift umwelt aktuell, die vom Deutschen Naturschutzring (DNR) herausgegeben wird (http://www.umweltbildung.de/oekopaednews.html).
Dr. Jos Schnurer

Mentalitätsforschung – Auch ein Zugang zum Interkulturellen und Globalen Lernen

Günter Wiemann, unser Gründungs- und erster Vorstandsvorsitzender von IP1 ist ein fleißiger, findiger und kreativer Sucher. Sein neues Buch „Hans Löhr und Hans Koch – Politische Wanderungen“ (2011, siehe beigefügte Rezension) erinnert an Aktivitäten, Ideen von Gemeinschaftsarbeit und Allmende mit Gedanken der sozialen Gerechtigkeit zu verbinden – eine heute nicht zuletzt in den Zeiten der Globalisierung dringliche Herausforderung. WiemannLöhrsocialnet