Die Vereinten Nationen haben jeweils den 20. Juni eines jeden Jahres zum Weltflüchtlingstag ausgerufen. Er soll in besonderer Weise darauf aufmerksam machen, dass weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht sind; auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Diskriminierung, Armut und Ausweglosigkeit. Flüchtlinge nehmen wir in unserer Alltagswahrnehmung meist nur zur Kenntnis, wenn sie, wie etwa auf der italienischen Insel Lampedusa, zu Hunderten auf seeuntauglichen Booten über das Mittelmeer von Afrika her nach Europa kommen. Als Randnotiz wird dabei registriert, dass Hunderte davon auf der Strecke bleiben, ertrinken, verhungern und verdursten. Der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur und Vorsitzender des internationalen Friedenskorps Grünhelme e.V., Rupert Neudeck, fordert die europäischen Länder auf, endlich Schluss zu machen mit der „Placebo-Politik“ (vgl. dazu: afrika post. Magazin für Politik, Wirtschaft und Kultur, 2/2011, S. 22ff, www.deutsche-afrika-stiftung.de). Europa habe, so Neudeck, die Dimension des Migrantenproblems immer noch nicht erkennt: „Es quatscht weiter von Asylbewerbern, hält die Flüchtlingsbewegungen für beherrschbar und sucht weiter nach Möglichkeiten, um Afrikaner abzuwehren“, indem es größere Grenzkontrollen, Frontex-Task-Forces und Hubschrauberkontrollen einrichtet. Der Zusammenhang von Entwicklungs- und Migrationspolitik wird dabei kaum gesehen; vielmehr wird von „humanitären Katastrophen“ gesprochen und nicht erkannt, dass es völlig anderer Initiativen bedürfte, um das Problem der Flüchtlingsbewegungen zu bewältigen. Neudeck weist darauf hin, dass es eine längerfristige, globale Politik bedürfte, um z. B. auf die Tatsache zu reagieren, dass die meisten afrikanischen Länder „eine Bevölkerung mit bis zu 50% junger Menschen (haben) und eine Wirtschaft, die noch nicht einmal begonnen hat, Anschluss an den globalisierten Weltmarkt zu bekommen“.
Nehmen wir z. B. die Situation in Libyen: Seit der Krise, so berichten das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) und die International Organization für Migration (IOM), flohen mehr als 800.000 Menschen über die Grenzen in die Nachbarstaaten, darunter 296.500 Libyer, 94.884 Ägypter, 58.904 Nigrer, 41.322 Tunesier, 24.365 Tschader und mehr als 271.200 Menschen aus anderen Entwicklungsländern (vgl. dazu: www.unhcr.org; www.migration-crisic-com/libya).
Bei den europäischen Ländern, die das überwiegende Ziel der Flüchtlinge sind, wird dabei völlig übersehen, oder, wie Rupert Neudeck schreibt, „aus Angst vorm `schwarzen Mann` der Kopf in den Sand gesteckt“, dass es sich bei den meisten Flüchtlingen um aktive Menschen handelt, die durch ihre Flucht aus den Ausweglosigkeiten in ihrer Heimat, neue Lebensperspektiven in der Fremde suchen.
Die Aufnahme von Flüchtlingen und ihre (vielleicht vorläufig zeitweise) Integration in die Lebens- und Arbeitsprozesse der aufnehmenden Länder würde zu einer win-win-Situation für beide Seiten führen. Diese Alternativen zu diskutieren und sich damit auseinanderzusetzen, ist (auch) eine allgemeinbildende Lernaufgabe für Schulen und Erwachsenenbildung.
JS
Aufruf zur Mitarbeit beim Schulwettbewerb des Bundespräsidenten 2011/2012
Aufruf zur Mitarbeit beim Schulwettbewerb des Bundespräsidenten zur Entwicklungspolitik
Nicht zuletzt die zögerliche, paternalistische, besserwisserische und neoliberale Entwicklungspolitik der derzeitigen Bundesregierung ist es, die dazu auffordert, gerechtere und globale Positionen bei der Frage zu beziehen, wie sich unsere EINE WELT humaner und nachhaltiger entwickeln soll. Das Thema des Schulwettbewerbs des Bundespräsidenten – „Was siehst du, was ich nicht sehe? Perspektive wechseln!“ – ist dazu geeignet, dass Schülerinnen und Schüler von der Grundschule bis zu den weiterführenden Schulen ihre Vorstellungen, Wünsche, Hoffnungen und nicht zuletzt ihre Erfahrungen, etwa bei Schulpartnerschaftsprojekten mit Gleichaltrigen aus den Ländern des Südens der Erde, einbringen können.
Der Schulwettbewerb beginnt im Juni 2011 und endet Mitte März 2012. Neben den intellektuellen und emotionalen Bereicherungen, die Schülerinnen und Schüler bei der Beteiligung am Wettbewerb erfahren, werden auch Preise mit einem Gesamtwert von 25.000 Euro in fünf verschiedenen Einsendekategorien ausgelobt. Informationen, Anmeldeformulare unter: www.eineweltfueralle.de
JS
DIE ÖKOLOGISCHE WENDE – lokal und global, politisch und pädagogisch
Das Umdenken der Menschen beim Entwicklungsdenken und –handeln, weg vom „Throughput growth“ – Streben (Durchflusswachstum) und hin zum „Sustainable development“, einer tragfähigen Entwicklung, wie sie z. B. im Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung bereits 1987 mit der Mahnung formuliert wurde, dass es für eine humane Existenz der Menschheit erforderlich ist, unsere gemeinsame Zukunft ökologisch zu gestalten, braucht einen langen Atem. Das aktuelle Umsteuern in der Energiepolitik, mit dem Ausstiegsbeschluss der schwarz-gelben Bundesregierung hat schon viel früher begonnen; und es wurde vor allem durch die seit 1972 eingeleiteten Berichte an den Club of Rome befördert (Dennis L. Meadows, u.a., Die Grenzen des Wachstums, Mihailo Mesarović/ Eduard Pestel, Menschheit am Wendepunkt), der Agenda 21 (Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro), durch Programme der UNESCO („Der Mensch und die Biosphäre“, 1990), des New Yorker Worldwatch Institute mit den jährlich erscheinenden Berichten „Zur Lage der Welt“ und den vielen weiteren Appellen, endlich den notwendigen Perspektivenwechsel herbeizuführen.
Weil ökologisches Denken in den Köpfen der Menschen beginnen muss, um Gewohnheiten, Egoismen und Mentalitäten zu verändern und für die Menschheit schädliche Entwicklungen umzukehren, hat das ökologische Lernen in der schulischen und außerschulischen Bildung einen hohen Stellenwert. Spätestens seit der globalen Entwicklung einer sich immer interdependenter, entgrenzender und flotierender gestaltenden Einen Welt ist ethno-orientiertes und national-egoistisches Denken und Handeln obsolet. Programme wie „Umweltschulen“, Naturprojekte u. a., gewinnen in Bildungseinrichtungen einen immer höheren Stellenwert, der sich nicht zuletzt in der Lehrplan- und Curriculumdiskussion bemerkbar macht.
Das Zusammendenken von Ökologie und Universalismus hat sich im Lernauftrag „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ etabliert. Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben im Juni 2007 den „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ vorgelegt, der Empfehlungen für die Lehrplan- und Unterrichtsarbeit gibt und die Schulen auffordert, Interkulturelles Lernen und globale Entwicklung zum Bestandteil des Lernens und der Auseinandersetzung mit der Welt zu machen. In allen Bundesländern werden in Pilotprojekten, Schulversuchen und Bildungsinitiativen die Grundlagen für globales, ökologisches und politisches Lernen erprobt. In Niedersachsen ist das Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) in Hildesheim zuständig (Dezernent: Dieter Schoof-Wetzig). IP1 arbeitet beim Pilotprojekt zum Orientierungsrahmen Globale Entwicklung mit (vgl. dazu auch: Globale Entwicklung in Schule und Unterricht verankern! Ideen für niedersächsische Schulprojekte, Fachtagung vom 9. 11. 2009, NILS-Beiträge, Heft 1, Hildesheim, August 2010, 74 S.).
In diesem Zusammenhang wird auf den seit 1991erscheinenden monatlichen Informationsdienst ökopädNEWS hingewiesen, der bis Mai 2011 redaktionell von Jürgen Forkel-Schubert und ab Juni 2011 von Lisa Hübner, beide Hamburg, betreut wird. ÖkopädNEWS berichtet über bildungspolitische Trends in den Bereichen Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Globales Lernen – quer durch alle Bildungssektoren – von der frühkindlichen Bildung über Schule und Hochschule bis zum informellen Lernen. Der Newsletter erscheint auch als Beilage in der Zeitschrift umwelt aktuell, die vom Deutschen Naturschutzring (DNR) herausgegeben wird (http://www.umweltbildung.de/oekopaednews.html).
Dr. Jos Schnurer
Mentalitätsforschung – Auch ein Zugang zum Interkulturellen und Globalen Lernen
Günter Wiemann, unser Gründungs- und erster Vorstandsvorsitzender von IP1 ist ein fleißiger, findiger und kreativer Sucher. Sein neues Buch „Hans Löhr und Hans Koch – Politische Wanderungen“ (2011, siehe beigefügte Rezension) erinnert an Aktivitäten, Ideen von Gemeinschaftsarbeit und Allmende mit Gedanken der sozialen Gerechtigkeit zu verbinden – eine heute nicht zuletzt in den Zeiten der Globalisierung dringliche Herausforderung. WiemannLöhrsocialnet
IST DIE WELT IN AUFRUHR – ODER IN BEWEGUNG?
Die Veränderungen, die sich in der immer interdependenter und entgrenzender entwickelnden globalisierten Welt ergeben, zeigen Wirkungen in positiver und negativer Hinsicht. Während einerseits die Kluft zwischen den Habenden und den Habenichtsen immer größer wird, und zwar lokal und global, vollzieht sich in einigen Regionen der Erde ein Wandel hin zum freiheitlichen und demokratischen Denken, und die Ungeduld der benachteiligten Menschen wächst, auch zu den Werttöpfen der Welt gelangen zu können. Welche Richtung die revolutionären Bewegungen in den nordafrikanischen, muslimischen Ländern einschlagen, ist derzeit noch nicht eindeutig auszumachen. Folgen auf die Revolution die Konterrevolution oder islamisch-fundamentalistische Entwicklungen – oder bilden sich politische und gesellschaftliche Strukturen mit demokratischen und menschenrechtlichen Formen.
Eines ist klar: Mit westlich-europäischen Maßstäben lassen sich die Veränderungen in den arabischen Ländern (und anderswo) allein nicht verstehen und bewerten. Es bedarf des Blicks auf die Menschen und ihre kulturellen Identitäten in der Region; und es ist notwendig, empathisch dafür einzutreten, dass das Menschenrecht auf Freiheit und Unabhängigkeit und die Menschenwürde für ein humanes Leben sich durchsetzt.
Mit dem beigefügten Beitrag will ich auf den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs hinweisen.
Jos SchnurerInternetArabien
KOSMOPOLITISMUS?
Wir leben in EINER WELT – das Bewusstsein dafür entwickelt sich in der Welt lokal und global nur zögerlich. Im (sozial- und politik-)wissenschaftlichen Diskurs wird zwar darüber trefflich und kontrovers gestritten, und die einzelnen Konzepte – Kulturglobalismus oder Kulturrelativismus – stehen sich eher unversöhnlich gegenüber, wie sich das nicht zuletzt in der Auseinandersetzung um die Anerkennung bzw. Relativierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zeigt, die von den Vereinten Nationen als globale Ethik am 10. Dezember 1948 in die Welt gesetzt wurde. Der Bonner Kulturanthropologe und Ethnologe Christoph Antweiler legt ein Buch vor, in dem er für einen realistischen Kosmopolitismus im Zeitalter der Globalisierung plädiert und sein Konzept eines „inklusiven Humanismus“ vorstellt. Die Rezension ist auch im Internet Rezensionsdienst www.socialnet.de/rezensionen veröffentlicht.
JoSAntweilerWeltkultur